Sunny hat sich auf ihrem Weg zum beruflichen Wiedereinstieg vor einigen Monaten von mir coachen lassen. Die 40 Jährige ist studierte BWLerin und war im Personalbereich tätig. Ich spreche mit ihr über ihre Burnoutgeschichte und ihren heutigen Blick darauf.

Wie siehst Du Deinen Burnout aus heutiger Sicht?

Ich sehe heute viele positive Dinge darin, gleichzeitig habe ich viele Momente in denen ich total Angst habe wieder reinzurutschen. Es war eine Scheißzeit, in der es mir wirklich nicht gut ging und ich wirklich nicht wusste, was ich machen soll und wie ich da raus kommen soll.

Welche Symptome hattest Du?

Ich hatte eine richtig fette Depression. Angefangen hat es damit, dass ich nicht mehr schlafen konnte. Ich konnte mich nicht mehr erholen nachts, bin ständig krank geworden und wollte dann auch krank werden. Du kannst ja Deinem Körper sagen: „Mach eine richtig fette Erkältung daraus.“, so dass es sich lohnt zum Arzt zu gehen.

Was war der Antreiber, dass Du krank werden wolltest?

Mir hat es auf Arbeit keinen Spaß mehr gemacht. Ich wollte da nicht mehr hin, ich wollte mich nicht mehr „zwischen die Räder“ begeben. Das was ich auf Arbeit erlebt habe, hat nicht meinen inneren Werten entsprochen, also ein Wertekonflikt eigentlich. Die Leute haben mich nicht anerkannt für das was ich getan habe. Haben mir erzählt, das sei alles Mist gewesen. Mobbing…

Zusammenfassend kann ich sagen: Mir hat es auf Arbeit nicht mehr gefallen, ich kam damit nicht mehr zurecht. Ich wollte also krank sein. Wollte jeden freien Tag nutzen, hab auch überhaupt keine Überstunden mehr gemacht. Das hatte ich vorher immer gemacht, wenn ich mal im Flow war und hab dann einfach 9 oder 10 Stunden gearbeitet. Da ich wusste in anderthalb Wochen mach ich mal einen Tag frei. Das hab ich dann gar nicht mehr gesehen, weil es keine Arbeit aus Liebe mehr war.

Und deswegen bin ich dann gegangen. Ich hatte quasi innerlich gekündigt. Ich wollte aber nicht kündigen, weil ich mir nicht schon wieder einen neuen Job suchen wollte. Normalerweise, wenn mir etwas an einer Stelle nicht gefällt, kündige ich immer relativ schnell. Hab aber dort gedacht, Du kannst nicht immer gleich kündigen, wenn mal irgendwas unschön ist. Dann bin ich halt oft mit Blasenentzündung oder Erkältung krank gewesen.

Meine Hausärztin, zu der ich einen sehr, sehr guten Draht hatte, hat mich dann auf eine Psychotherapie angesprochen. Die hab ich dann auch schon angefangen, das ging relativ schnell. Die Therapeutin hat mich ermutigt mir eine Auszeit zu nehmen. Sie hat mich gebeten auch mal meinen Mann mitzubringen. Und als ich wusste, dass Netz und Boden da war, der mich auffängt, hab ich richtig losgelassen.

Ich bin nur noch aufgestanden um den Kindern Frühstücksbrote zu machen, hab viel Fernsehen geschaut. Ich war nicht in der Lage Bücher zu lesen. Auch mit Freunden hab ich mich nur noch aus Pflichtbewusstsein und Loyalitätsgründen getroffen.

Ich war antriebslos, hab viel geweint, hatte Angst. Ich weiß nicht, ob das meine eigene Angst oder eine eingeredete Angst war. Ich hatte so richtig Verfolgungswahn, dass mich Mitarbeiter meines ehemaligen Arbeitgebers verfolgen. Ich hatte Angst, dass ich irgendwelche Fehler mache. Dass die mich abmahnen, verklagen für Fehlverhalten in meiner Krankheit. Ich wusste nicht, ob ich draußen herumlaufen darf oder nicht. Ich hab’s manchmal gemacht und manchmal nicht. Ich hab dann auch nicht mehr mit Karte bezahlt, aus Angst, man könnte über die Kontodaten verfolgen, was ich mache.

Diese Angst hab ich von meinem Vorgesetzten übernommen, der aus verschiedenen Gründen tatsächlich mit Kontoüberwachung konfrontiert gewesen sein könnte. Ich war für negative Gefühle anderer offen wie ein Schwamm, z.B. auch von Freunden oder meinen Kindern.

Wie kam es zu Deinem Burnout?

Mein Geschäftsführer wurde, so wie es im normalen Wirtschaftsleben üblich ist, ausgetauscht. Es musste mal ein Neuer her, was ich total normal finde und auch damals so empfand. Aber die Art und Weise, wie das geschah, entsprach überhaupt nicht meinen Werten. Die Werte, die ich bis dahin in diesem Unternehmen vertreten habe, an die ich geglaubt habe.

Welche Auswirkungen hatte das in Deinem Arbeitsbereich?

Direkt auf meinen Arbeitsbereich, keine. Die haben mir nicht mehr vertraut und wollten lediglich, dass ich die Art und Weise des Absetzens unterstütze. Dass ich an die haltlosen Vorwürfe meinem GF gegenüber glaube und unterschreibe. Dagegen hab ich mich geweigert, weil ich nicht dahinter stand. Dann wurden mir Unterstellungen gemacht, dass ich wichtige Akten manipuliert hätte. Gleichzeitig sind in meinem Arbeitsbereich wichtige Akten einfach weggewesen, für die ich verantwortlich war. Klar können sie die nutzen, aber sie hätten mir Bescheid sagen müssen, wer sie hat und wie lange.

Und dann sollte ich alle E-Mails die ich schreibe, an die Kommunikationsabteilung in cc setzen. Da aber wichtige vertrauliche Vertragsdaten zu dem Zeitpunkt mit anderen Abteilungen ausgetauscht wurden, konnte ich das nicht vertreten. Dann gab es Uneinigkeit über diese Anweisung. Das war für mich der ausschlaggebende Punkt, wo ich gesagt habe, unter den Bedingungen arbeite ich nicht mehr. Da habe ich in dem Moment nur noch geweint und war total wütend.

Ich weiß nicht mehr wie der Rest des Tages verlaufen ist, das ist alles weg. Ich weiß nicht mal mehr, ob ich am gleichen Tag oder am nächsten Tag zum Arzt gegangen bin. Ich habe bis zu dem Tag auch nur funktioniert im Prinzip, war unausgeglichen, hab meine Kinder viel angeschrien.

Was war aus heutiger Sicht gut an Deinem Burnout?

Im Dezember ging es mir dann irgendwann so schlecht, dass mich meine Therapeutin darauf hinwies, dass es auch die Möglichkeit gibt, Medikamente zu nehmen. Das wollte ich nicht und hab dann die Energie aufgebracht zu googeln, wie man Depressionen ohne Medikamente in den Griff bekommt. Und da kam raus, dass dies mit Sport ginge. Von da an habe ich dann 3-4 mal pro Woche Sport gemacht, war viel Spazieren. Ich wollte keine Medikamente, weil ich das bei einer Freundin gesehen hab, wie lange es dauert, bis die richtig eingestellt sind.

Ich hab gelernt, dass es in mir selbst so einen Antrieb gibt, etwas für mich zu tun. Wenn es jetzt mal wieder stressig wird auf Arbeit ist das Erste was ich mache Sport. Gerade jetzt hatte ich wieder den Impuls und gehe regelmäßig rudern und werde demnächst auch wieder tanzen gehen.

Was ist Deine Motivation dafür?

Weil ich Angst habe, wieder da reinzurutschen.

Was ist noch gut an Deinem Burnout aus heutiger Sicht?

Ich bleibe heute schneller zuhause, wenn sich mein Körper meldet. Ich gehe jetzt bewusster mit stressigen Zeiten um. Ich weiß was passieren kann, das ist positiv. Gleichzeitig macht es mir Angst. Ich habe gerade auch wieder relativ oft Schlafstörungen.

Wann kommen die Schlafstörungen?

Wenn ich Zukunftsängste habe, wenn ich nicht weiß, wie ich die vielen Aufgaben alle managen soll. Wenn wirklich was wegbricht, ich mehr Verantwortung übernehme. Da kann ich nicht abschalten. Meditation hilft mir jetzt beim Einschlafen.

Was hilft Dir neben Sport und Meditation noch?

Erlebnisse mit der Familie, aber nur wenn ich wirklich Lust darauf habe. Bis zu meinem Burnout war ich der Meinung, wir müssen am Wochenende immer etwas unternehmen. Und ich war immer der Organisator, habe organisiert mit welcher Familie wir wann was machen wollen, Museum, Wandern… Und am Ende haben die Anderen nur rumgemeckert. Immer den Motivator zu spielen, hat mich angenervt. Ich hab gemerkt, dass man die Ansprüche von fünf Leuten nicht unter einen Hut bringen kann. Mein Anspruch „Was ist Familienleben“ hat sich verändert. Ich hab eine „Egal-Haltung“ entwickelt. Ich freue mich, wenn wir etwas zusammen machen, aber ich forciere es nicht mehr. Der Familienzusammenhalt entsteht jetzt natürlicher, früher war es eher künstlich hergestellt.

Alle Aufgaben, die ich als Last empfinde möchte ich jetzt abgeben, zum Beispiel die Unterstützung einer Flüchtlingsfamilie. Das habe ich vorher gern gemacht, jetzt bekomme ich es gerade zeitlich kaum hin und empfinde es als Last. Durch den Burnout habe ich gelernt, über solche Dinge eher nachzudenken, weil ich weiß welche Konsequenzen es für mich haben kann.

Wie würdest Du Deinen aktuellen Weg beschreiben?

Der Aufstieg verläuft in einer Wellenbewegung. Ich rutsche immer wieder in Täler hinein, die manchmal sehr tief sind. Ich wälze dann nachts aktuelle Themen, schlafe nächtelang schlecht und finde dann irgendwann eine Lösung, z.B. jemanden um Hilfe zu bitten. Die Täler tun so weh und eigentlich müssten sie nicht sein. Das macht mir Angst. Ich vergesse dazwischen immer wieder, achtsamer mit mir umzugehen, mich rauszunehmen, um Hilfe zu bitten. Da kämpfen immer verschiedene innere Anteile miteinander, oder eher gegeneinander, bis ich nicht mehr kann. Leider musste es bisher immer soweit kommen. Ich muss immer in diese tiefen Täler rein, laufe nach der fünften Nacht ohne Schlaf wie Falschgeld herum, bis ich das Ruder herum reiße. Es ist ein Prozess. Ich möchte gern die Stellschraube dafür finden.

Wie Sunny das Coaching erlebt hat, erzählt sie hier LINK EINFÜGEN.

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